Zeitzeuge am LFG

Zum Vortrag des Zeitzeugen Alexander Richter-Kariger (1. Reihe, 2. v.r.) kamen viele Schüler:innen, Lehrkräfte und auch Eltern.
Alexander Richter-Kariger berichtete von seiner Lebensgeschichte in der DDR.

Die Aussage „In der DDR war`s doch gar nicht so schlimm“ hört man heutzutage immer mal wieder, wenn über die Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland gesprochen wird. Doch stimmt das? Was ist, wenn man von der Stasi, dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR, beobachtet und wegen eines Romanmanuskrips, das man schrieb, verhaftet wurde?

Denn dies war das Schicksal des Alexander Richter-Kariger. Ein ehemaliger DDR-Bürger und Stasi-Häftling, der wegen eines staatskritischen Romans, den er für seine westdeutsche Freundin schrieb, verhaftet wurde. Seiner Geschichte lauschten am Montag, dem 20. März 2023, mehrere Schüler:innen, Lehrkräfte und auch Eltern. Herr Richter-Kariger erzählte dabei von seiner Kindheit im SED-Staat, seiner Jugend, in der erste Zweifel gegenüber der sozialistischen Ideologie und dem Marxismus in der DDR aufkamen und schließlich seiner Inhaftierung. Dabei wurde er von Dr. Frank Hoffmann, einem Vertreter der „Vereinigung der Opfer des Stalinismus“, begleitet. Das Zeitzeugen-Gespräch dauerte knapp zwei Stunden und wäre sicher auch noch länger gegangen, da sowohl Herr Richter-Kariger Vieles erzählen konnte und auch das Publikum viele interessante Fragen hatte.

Herr Richter wurde 1949 geboren und wuchs in Potsdam auf, wo er eine recht schöne Kindheit hatte. Trotzdem wurde er schon damals mit der sozialistischen Ideologie der DDR konfrontiert. So war sein Vater in die SED eingetreten, damit Richter überhaupt eine Chance hatte, auf eine Erweiterte Oberschule (eine Art Gymnasium) zu kommen. Auch weiterhin wurde sein Werdegang vom Staat bestimmt, wodurch Richter mit seinem Beruf unzufrieden war und das Schreiben anfing. Auch wegen der Jugendbewegung „Beat-Zeit“ bekam er einen immer kritischeren Blick auf die sozialistische Ideologie und Wirtschaft sowie den Marxismus in der DDR und schrieb darüber dann Geschichten, die immer mehr zu einem Roman mutierten. Auch durch seine westdeutsche Freundin, die ihn bat, weiterzuschreiben und ihr die fertigen Seiten zukommen zu lassen, wurde er motiviert, weiterzumachen. Er schickte ihr die fertigen Manuskripte per Post in den Westen, wodurch die Stasi auf ihn aufmerksam wurde. Diese durchsuchten nämlich die Briefe der DDR-Bürger nach staatskritischem Gedankengut und fanden dabei Richter-Karigers (er nahm den Geburtsnamen seiner Verwandtschaft an) Manuskripte, in denen er zum Beispiel die Korruption im Land aufdeckte. Daraufhin überwachte die Stasi ihn fünf Jahre lang, in der sie unbemerkt das Leben von Herrn Richter-Kariger beeinflusste und ausspionierte. In dieser Zeit wurden zum Beispiel Wanzen in seinem Haus angebracht oder Personen in sein näheres Umfeld eingeschleust, die ihn überwachen sollten. So hatte Herr Richter-Kariger eine, wie er nachher sagte, einseitige Liebesromanze gehabt, welche jedoch auch nur seiner Ausspionierung diente. Die Stasi fertigte auch verschiedene Protokolle über sein Leben an und stellte ihm Fallen, um ihn wegen Staatsverrat anklagen zu können. Schließlich, 1982, wurde er dann von der Stasi wegen Staatshetze verhaftet und kam erstmal für elf Monate in Untersuchungshaft. Vor Gericht wurde er dann wegen seiner Manuskripte „als Staatsfeind“ eingestuft und zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Danach sollte er aber von der BRD freigekauft werden. Herrn Richter-Karigers Anwalt schlug ihm noch vor, er könne die Haftstrafe auf zwei Jahre verkürzen, wenn er darauf in die DDR zurückkehre, dies wollte der Verurteilte allerdings nicht mehr. Seine Mutter setze sich dann für den Freikauf durch die BRD ein und Herr Richter-Kariger konnte nach ca. zwei Jahren in die BRD. Dort musste er sich erst einmal von seiner psychischen sowie physischen Erschöpfung erholen, was ihm jedoch gelang.

Nach der Lebensgeschichte, die durch viele neugierige Fragen etwas länger dauerte, gab es noch eine Fragerunde. In dieser antwortete Richter-Kariger auf die Frage, ob er etwas nach seiner Ankunft in der BRD an der DDR vermisste, mit: „Meine Familie, die noch in der DDR lebt!“

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Zeitzeugengespräch äußerst interessant und eine gute Abwechslung zum normalen Geschichtsunterricht war. Es gab uns Schülern eine neue Sicht auf die DDR und besonders auf die Stasi. Wir freuten uns über den Besuch von Alexander Richter-Kariger und danken ihm dafür, uns an seiner Lebensgeschichte teilhaben zu lassen, obwohl es sicher nicht leicht für ihn war, diese noch einmal zu „durchleben“. Außerdem ist es wichtig, sich mit Zeitzeugen und ihren Schicksalen auseinanderzusetzen, da sie selbst heute noch nicht an Bedeutung verloren haben.

@Valentin Westrup (EF)